'Don't just criticise, create!': Interview mit Wolfgang Fenske, Direktor der “Bibliothek des Konservatismus”
This is the twelfth instalment of our new interview series called, “Don’t just criticise, create!” David Engels speaks with European artists, philosophers, priests, intellectuals, activists, and artisans who have each decided not only to lament 'the decline of the West' but also to endeavour to help reverse it. They have done this by making something new, and also perhaps something beautiful, true, and good.
David Engels: Lieber Dr. Fenske, Sie sind seit der Gründung der in Berlin ansässigen „Bibliothek des Konservatismus“ deren Direktor. Bereits diese Bezeichnung bedarf wohl schon einer ersten Erklärung: Was ist eigentlich „Konservatismus“? Es handelt sich ja um ein weites Feld…
Wolfgang Fenske: (Lacht) Ja, da haben Sie natürlich recht! Wir sehen uns tatsächlich seit unserer Gründung vor eine doppelte Herausforderung gestellt: einerseits einen Ort zu bieten, an dem in einmalig konzentrierter Form darüber geforscht werden kann, was „Konservatismus“ bedeutet, andererseits aber eine Expertise zu eben dieser Frage bereitzuhalten – gleichsam so, als sei sie im Grunde längst entschieden. Unabhängig davon haben wir natürlich schon eine Hausdefinition dessen, was wir intern als „konservativ“ betrachten: nämlich all jene Bemühungen in Politik und Gesellschaft, aber auch Kunst und Kultur, Bildung und Wissenschaft, die darauf ausgerichtet sind, der abendländischen Tradition jeweils neu Geltung zu verschaffen. Womit freilich neue Fragen auftauchen, das ist mir völlig klar …
In der Tat! Könnten Sie wenigstens kurz umreißen, was Sie mit der vielbeschworenen „abendländischen Tradition“ genau meinen?
Das beginnt mit dem Bezug auf den Dreieinigen Gott, in dessen Verehrung die griechisch-lateinische Tradition einmündete. Natürlich nicht im Sinne eines persönlichen Glaubensbekenntnisses, das man kaum einfordern kann, aber doch im Sinne eines Bekenntnisses zu einer gewachsenen kulturellen Identität. Daraus resultierend dann ein Bild vom Menschen, das ihn realistisch als Wesen mit Fehlern und Unzulänglichkeiten begreift. Dabei ist zweitrangig, ob Sie ihn im biblischen Sinne als durch die Erbsünde gefallen oder mit Arnold Gehlen als „Mängelwesen“ ansehen. Ferner die Annahme eines Naturrechts, aus dem unter anderem hervorgeht, daß die Familie die Keimzelle eines Volkes bildet, demgegenüber das Modell einer auf Individuen aufbauenden Vertragsgesellschaft sekundär bleibt. Und schließlich ein Verständnis von Geschichte, wonach diese grundsätzlich indeterminiert ist und sich nicht zwingend im Sinne einer „Höherentwicklung“ vollzieht.
Dürfen wir Sie bitten, unseren Lesern kurz Ihre Einrichtung vorzustellen?
Die Bibliothek des Konservatismus (BdK) wurde 2012 in zentraler Berliner Lage in Charlottenburg nahe dem Bahnhof Zoo eröffnet. Ihre Gründung geht zurück auf Caspar von Schrenck-Notzing (1927-2009), der von 1970 bis 2000 Herausgeber des konservativen Theorieorgans Criticón war. Seine Privatbibliothek mit ca. 15.000 Titeln bildete den Grundstock der BdK, deren Gesamtbestand mittlerweile auf rund 35.000 Titel angewachsen ist. Hier werden alle wichtigen Quellen- und Sekundärtexte über Theorie und Gestalt des Konservatismus in Deutschland, Europa und der Welt gesammelt, Neuerscheinungen angekauft und Bestandslücken geschlossen. Tausende Werke bekannter und weniger bekannter Philosophen, Politiker, Literaten, Künstler und Publizisten des Konservatismus seit 1789 bis in die Gegenwart werden so der Öffentlichkeit in systematischer Aufstellung zugänglich gemacht.
Hinzu kommt ein Bestand von über 500 Zeitungen und Zeitschriften aus Geschichte und Gegenwart, davon mehr als 70 laufende. Ein im Aufbau begriffenes Archiv stellt der Forschung wertvolle Nachlässe und Korrespondenzen konservativer Persönlichkeiten zur Verfügung, darunter die Korrespondenzen Caspar von Schrenck-Notzings, das Bundesparteiarchiv der „Republikaner“ oder der berühmte Zettelkasten Armin Mohlers, mit dessen Hilfe er sein Buch über die „Konservative Revolution“ verfaßte.
Zweimal im Monat haben wir „volles Haus“, wenn wir zu Vorträgen und Buchvorstellungen einladen, die im weitesten Sinne mit dem Thema „Konservatismus“ in Zusammenhang stehen. Die werden dann auch aufgezeichnet und können auf unserem YouTube-Kanal auch von solchen Interessenten angesehen werden, die nicht zu unseren Veranstaltung kommen können.
Unser besonderes Augenmerk gilt der Bildung des konservativen Nachwuchses. Seit 2014 führen wir Seminare für Schüler, Studenten und Jungakademiker bis 35 Jahre durch. Seit diesem Jahr folgen wir dabei nicht mehr den akademischen Semestern mit wöchentlichen Sitzungen, sondern bieten „Jungkonservative Seminare“ als Blockseminare drei- bis viermal pro Jahr an. So haben auch Interessenten aus ganz Deutschland und darüber hinaus Gelegenheit, an den Seminaren teilzunehmen.
Mit der Schriftenreihe ERTRÄGE dokumentiert die Bibliothek gehaltene Vorträge sowie wissenschaftliche Arbeiten, die in Anbindung an die BdK entstanden sind. Hinzu kommt unser zweimonatlich erscheinender Informationsbrief AGENDA, mit dem wir unsere Freunde und Förderer auf dem laufenden halten. In jeder Ausgabe enthalten sind ein Porträt einer konservativen Persönlichkeit, Empfehlungen klassischer und neuerschienener konservativer Literatur, Veranstaltungsberichte und -ausblicke und anderes mehr.
Ergänzt wird dieses gedruckte Angebot seit kurzem durch zwei eigene Podcastreihen: Die Reihe Forum dokumentiert, wie der YouTube-Kanal, unsere Vortragsveranstaltungen; die Reihe Katechon bildet den Theoriepodcast der BdK. Hier werden wichtige Denker und Autoren vorgestellt, zentrale konservative Prinzipien und Theorien erläutert, klassische Werke wie auch Neuerscheinungen präsentiert.
Das ist ja ein beachtliches Angebot, das Sie da vorhalten!
Und das mit lediglich vier hauptamtlichen Mitarbeitern …
Da stellt sich unwillkürlich die Frage der Finanzierung: Erhalten Sie staatliche Zuschüsse?
(Lacht wieder) Schön wär’s! Nein, im Gegensatz zu den zahllosen linken, linksliberalen und grünen Institutionen, Denkfabriken und Aktivisten in Deutschland, erhält die Bibliothek des Konservatismus keinerlei Geld vom Staat. Wir finanzieren uns zu 100 Prozent aus Spendengeldern! Einen entscheidenden Vorteil hat es natürlich: Wir sind völlig unabhängig und auf niemandes Wohlwollen angewiesen. Darum sind wir unseren Förderern für ihre oft langjährige Treue sehr dankbar – und stets auf der Suche nach neuen Unterstützern!
Wem spenden denn Ihre Förderer?
Getragen wird die BdK von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF), einer gemeinnützigen Stiftung privaten Rechts, die Caspar von Schrenck-Notzing noch selbst 2000 gegründet hat.
Letztes Jahr feierte die BdK ihren 10jährigen Geburtstag – allein dies ist bereits ein nicht zu verachtender Erfolg in Anbetracht der Widerstände, die eine jede konservative Institution gerade in Deutschland und vor allem Berlin erleben muß. Wie würden Sie den Weg einschätzen, den Ihre Institution in jener Zeit zurückgelegt hat? Und was sind die Pläne für morgen?
Wir sind unseren Förderern sehr dankbar, daß sie uns trotz aller Schwierigkeiten in diesen zehn Jahren die Treue gehalten haben. Ohne sie wäre unser Weg aus kleinsten Anfängen im Hinterzimmer des Buchdienstes der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit hin zu der professionell arbeitenden Institution in der West-Berliner City von heute nicht denkbar gewesen. Was die Zukunft angeht, so ist der Ausbau unseres Seminarbetriebes zu einem kleinen Hochschulbetrieb ein bereits langgehegter Traum. Potentielle Dozenten und Studenten gäbe es, doch haben die Coronakrise, die aktuelle Teuerung und immer neue Steuern und Abgaben in Deutschland unsere finanzielle Lage nicht eben verbessert. Darum hängt auch hier leider alles am Geld.
Eine der wichtigsten Aufgaben der BdK ist neben der Sammlung und öffentlichen Bereitstellung von konservativem Bildungsmaterial die Arbeit mit jungen Menschen, für die Sie regelmäßig Seminare organisieren. Wie würden Sie das Profil dieser Jugendlichen einschätzen, und wie empfinden Sie gerade heute deren Bereitschaft, sich auf konservative Inhalte einzulassen?
Die jungen Leute, die auf uns zukommen, sind ja bereits Teil einer verborgenen Elite, die sicher nicht repräsentativ ist für die Breite der heutigen Jugend. Zu unseren Jungkonservativen Seminaren, die ich vorhin ansprach, kommen wirklich ausnahmslos hochinteressierte, begeisterungsfähige und hellwache junge Leute, die zum Teil schon über ein beträchtliches Vorwissen verfügen. Karlheinz Weißmann, der zusammen mit Andreas Kinneging das Jungkonservative Seminar im April leitete, sprach in der Schlußrunde von einem Niveau, das an der Universität dem eines Oberseminars entspräche. Es liegt nun an uns Älteren, die Arbeit mit diesen jungen Leuten, die in aller Regel über keine nennenswerten Mittel verfügen, zu organisieren und zu finanzieren.
Die konservative Landschaft Europas ist im Gegensatz zur linksliberalen sehr zersplittert. Soweit ich weiß, besteht keine mit der BdK vergleichbare Institution im restlichen Europa, aber freilich zahlreiche mehr oder weniger parteipolitisch und ideologisch gebundene Forschungs- und Bildungsinstitute. Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie besonders eng zusammen?
Die BdK nimmt alljährlich mit einer eigenen Delegation am Vanenburg meeting des Center for European Renewal (CER) statt. Rund 150 Rechtsintellektuelle sowie Vertreter konservativer Denkfabriken aus ganz Europa und den USA kommen da in einer europäischen Hauptstadt zusammen, um sich kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Die Gründung des CER geht unter anderem zurück auf eine Initiative unseres Stifters Caspar von Schrenck-Notzing.
Darüber hinaus ist die BdK offizieller Mitherausgeber der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift The European Conservative. Mit dessen Chefredakteur Alvino-Mario Fantini stehe ich in einem kontinuierlichen Austausch. Hinzu kommen immer wieder auch die eintägigen Launch events, wenn wieder ein neues Heft erschienen ist.
„Don’t criticise, create!“, lautet das Motto dieser Interviewreihe. Welche Aktivitäten sollten junge Menschen, denen die Kultur des Abendlandes am Herzen liegt, ganz besonders vorrangig ausüben, um gegen den zunehmenden Schwund unserer kulturellen Identität zu kämpfen, ohne sich in oft fragwürdigen politischen Tageskämpfen aufzureiben?
Lesen, lesen, lesen – und das sage ich nicht nur als Leiter einer Bibliothek. Und sich selbst kontinuierlich fortbilden, zumal wichtige Texte, die konstituierend sind für die abendländische Identität, an den Universitäten entweder gar nicht mehr oder nur noch durch eine ideologisch gefärbte Brille gelesen werden. Und nicht zuletzt: Tun Sie sich zusammen, um sich über das Gelesene auszutauschen, aber auch um sich gegenseitig zu stärken, denn oft ist man als Konservativer in Schule, Universität oder Beruf allein auf weiter Flur. Gelegenheit dazu bieten unter anderem die Jungkonservativen Seminare der BdK.
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