Die Zerstörung der Frau durch den Feminismus. „Les Antigones“ auf der Suche nach der echten Geschlechterpolarität
Schon seit mehreren Jahren hat der Verband „Les Antigones“, geleitet von Anne Trewby und Iseul Turan, in der französischen Presse viel von sich reden gemacht. Nun haben die beiden Aktivistinnen ein hochinteressantes Manifest mit dem Titel „Femmes, réveillez-vous“ vorgelegt, dem weite Verbreitung zu wünschen ist. Der Feminismus als familienzerstörerischer Kampf gegen den Vater; der Feminismus als chimärische Idealisierung einer permanenten Jugend und Verantwortungslosigkeit; der Feminismus als System zur politischer Dominanz: Alle drei Hauptteile des Buchs sind klare und schonungslose Analysen der Fehlentwicklungen eines „Feminismus“, der die Frau teils maskulinisiert, teils dekonstruiert hat, nie aber wirklich von ihrer tatsächlichen einzigartigen Identität ausgegangen ist.
Immer noch zählt die Frage nach einer Neubestimmung der Rolle der beiden Geschlechter unter den Voraussetzungen der modernen Welt zu den fundamentalen Desideraten konservativen Denkens. Die globale Linke hat sich mittlerweile mit Haut und Haaren dem völligen Relativismus angeschlossen und zum einen das Geschlecht zur sozialen Konstruktion erklärt, zum anderen aber eine allgemeine Unterdrückung der als Frau „gelesenen“ Menschen durch den „alten weißen Mann“ postuliert und hieraus die Notwendigkeit eines „intersektionellen“ Kampfes abgeleitet: Anti-Kolonialismus, Anti-Patriarchalismus, Anti-Rassismus und Anti-Kapitalismus – alle diese Kämpfe laufen, der Linken zufolge, auf den Widerstand gegen die westliche Zivilisation hinaus, ohne deren Vernichtung echte Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit unter den Menschen auf dieser Erde unmöglich seien.
Die Rechte hingegen, wie immer zerstritten, ist zu keiner einheitlichen Meinung gekommen, ja möchte die Debatte ganz offensichtlich am liebsten still vorüberziehen lassen, da sie fürchtet, durch eine echte Positionierung nur verlieren zu können. Wie immer finden wir auf dieser Seite nämlich die, welche es als „konservativ“ betrachten, Positionen zu übernehmen, die vor einer Generation noch als „progressiv“ galten, vom Intersektionalismus aber überrollt wurden: Die Rechte hat sich (trotz einer zaghaften Verteidigung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern, jedenfalls wo immer es politisch opportun schien) massiv der Mainstream-Meinung angeschlossen, derzufolge die einzig mögliche Lesart der Beziehungen zwischen Mann und Frau die einer strikten Gleichheit sei, für die dann der Staat der allmächtige Schiedsrichter sein muss. Auch die Probleme der Kindererziehung sollen daher weitgehend durch staatliche Maßnahmen (Kindergeld, Krippenplätze, Ganztagsschulen, etc.) aufgefangen werden, um die freie „Selbstverwirklichung“ der Geschlechter nicht zu behindern und letztlich die faktische Ausübung der Mutterschaft seitens jener Frauen, die ein Kind auf die Welt gesetzt haben, zu einer rein optionalen Aktivität zu machen: eine „amputation symbolique des femmes de leurs fonctiions biologiques les plus fondamentales“ (41), ein „fantasme d’une interchangeabilité totale des sexes à travers l’hypothèse de l’externalisation des fonctions maternelles“ (43); oder, mit den Worten von Maurice Bardèche: „Que la femme, enfin semblable à l’homme, ayant subi enfin l’ablation de la maternité, soit l’égale, la non-discriminée, la trotteuse auprès de lui, aussi libre, aussi légère. Voilà ce qu’on lui offre“ (37).
Gering hingegen ist die Zahl jener, die sich – wie die Autorinnen von „Femmes, réveillez-vous!“ dem offenen oder versteckten Geschlechter-Relativismus verweigern und darauf bestehen, daß eine Gesellschaft nur dann funktionieren kann, wenn die Polarität zwischen Mann und Frau in ihrem vollen Umfange angenommen wird; und zwar nicht nur, was die naturgegebenen Grundvoraussetzungen betrifft, sondern auch die davon abgeleiteten Unterschiede in der jeweiligen Weltsicht, die jede für sich zwar ihre volle Berechtigung haben, aber eben nur dann ein sinnvolles Ganzes schaffen, wenn sie einander ergänzen – ein fundamentaler Unterschied nicht nur zum Relativismus, ja Nihilismus der Gender-Theorie, sondern eben auch zum „old school“-Feminismus, der weitgehend unter der Voraussetzung steht, die Frau von ihren familiären „Zwängen“ befreien zu wollen, damit ihr eine „Selbstverwirklichung“ möglich ist, die faktisch darin zu bestehen scheint, die berufliche, soziale und psychologische Identität des Mannes zu übernehmen: Feminismus nicht als echte Selbstfindung, sondern vielmehr Selbstmaskulinisierung der Frau. Denn, wie die Autorinnen Maurice Bardèche zitieren: „Il y a eu des types de famile différents et, par conséquent, des destins différents de la femme, mais il n’y a eu en aucun temps de société sans famille. Si la famille disparaît, la femme n’est plus qu‘un producteur-consommateur qui a la particularité d’accoucher. » (36)
Wieso tut sich die Rechte so schwer mit diesen Fragen? Die Antwort ist offensichtlich: Seit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für Mann und Frau ist es zwar zu einer auch geschlechtlichen Liberalisierung der Politik (und auch der Wirtschaft) gekommen, aber eben unter der Voraussetzung einer weitgehenden Identität und nicht Polarität der Geschlechter. Faktisch ist es also zu einer Hineinnahme der Frauen in eine weitgehend männlich bedingte Sphäre gekommen, die zwar nunmehr schrittweise feminisiert wurde (wie etwa die statistisch ganz offensichtliche Vorliebe weiblicher Wähler für ein sozialistisches Fürsorgesystem und nicht ein liberales Wettbewerbssystem zeigt), aber eben nicht unter öffentlicher Anerkennung der Polarität der psychologischen Ausgangsbestimmungen, sondern der Diskussion um das eigentliche Ziel des Menschen „an sich“. Seitdem ist es aufgrund von Quotenregelungen und massiver medialer Werbung so gebräuchlich geworden, daß Frauen auch in Entscheidungsfunktionen und -bereichen aktiv sind, die eigentlich urtypisch männlich sind, daß es Konservativen schon aus wahlstrategischen Gründen schwer fällt, erneut eine zumindest konzeptuelle Trennung verschiedener Sphären und Interessensfelder zu vertreten, ohne das eigene Wählerpotential empfindlich zu schädigen oder es dem politischen Gegner zu erleichtern, von „Diskriminierung“ zu sprechen. Kein Wunder, daß seit einigen Jahren gerade in konservativen Kreisen zunehmend Aktivistinnen anzutreffen sind, die sich zwar als „Tradwife“ bezeichnen, gleichzeitig aber ein Dasein als Politikerinnen oder „Influencerinnen“ führen, das im Guten wie im Schlechten faktisch ganz maskulinen Stereotypen folgt. Diese oberflächlichen Lobpreisungen einer Vergangenheit, die angeblich die Komplementarität der Geschlechter respektiert habe, ist in Wirklichkeit nur ein neuer Avatar des zeitgenössischen Individualismus; eine neue persönliche Modalität der Selbstverwirklichung. Die Idee, die im politischen Diskurs, selbst im konservativen, völlig fehlt, ist die Berufung auf die Einheit, insbesondere die „politische“ Einheit, des Paares Mann-Frau und somit der Familie.
„Il serait temps de grandir“, lautet daher der Titel des letzten Kapitels von „Femmes, réveillez-vous“, und man kann sich diesem Aufruf nur anschließen, auch wenn der Weg ein schwerer ist. Denn es gilt nicht nur, mit den Fehlern und Illusionen des Feminismus in den letzten Jahrhunderts aufzuräumen und die weibliche Identität neu zu entdecken und aus sich selbst heraus zu leben, egal, welche politischen Diffamationen daraus resultieren mögen, sondern auch die männliche Natur erneut zu bestimmen. Denn nur in ihrer naturgegebenen Polarität können beide Geschlechter nicht nur zu sich, sondern auch zueinander finden und der Familie wie der Gesellschaft jenen Schutz und jenes Gleichgewicht zurückgeben, das weitgehend verloren scheint:
„Si l’institution du mariage est au cœur de l’organisation politique de nos sociétés humaines, c’est d’abord parce qu’elle est le prolongement politique de la complémentarité des sexes, et ensuite parce qu’elle est révélatrice des systèmes de pouvoir et d’alliances des différentes sociétés. Le mariage est censé offrir le meilleur cadre possible à la fécondité naturelle du couple homme-femme : il assure la sécurité des femmes et des enfants, tout en offrant à ces derniers un maximum de stabilité dans la transmission des savoirs et des repères nécessaires à leu sociabilité future. […] Dans ce cadre, l’autorité du père de famille était traditionnellement le symbole de cette unité, sans aucun rapport avec une quelconque volonté d’oppression d’un sexe sur l’autre. Et cette unité était en réalité protectrice des individus qui la composaient face au potentiel totalitaire de l’État. » (23-24)
Wohin der Weg geht, sollte dies nicht gelingen, sehen wir tagtäglich in den Medien: Eine atomisierte Welt unglücklicher, künstlicher, verblendeter und seelisch völlig verlorener Menschen, die sowohl ihren naturgegebenen Körper als auch ihre spirituelle Dimension ablehnen und durch ihre Hybris, mittels Transhumanismus, sozialem Engineering, erzwungenem Multikulturalismus und LGBTQ-Ideologie Gott spielen zu wollen, eine Hölle auf Erden schaffen. Kann, ja soll man auf die Politik hoffen, das Abendland endlich wieder auf den richtigen Kurs zu bringen? Nichts ist sicherer als das, da gerade der Glaube, eine Gesellschaft durch Gesetze regeln und steuern zu können, bereits Teil jener Mentalität der Selbst-Infantilisierung ist, welche die oben beschriebenen Probleme überhaupt erst möglich gemacht haben: „Pour sortir de cette infantilisation permanente, pour poser les bases d’une société juste et reconquérir nos libertés publiques, il nous faut d’abord changer de paradigme et renouer avec cette première distinction fondamentale entre ce qui est légal et ce qui est légitime. Ce sont les moeurs qui font les lois et non l’inverse. » (82)
Anne Trewby / Iseul Turan, Femmes, réveillez-vous! Pour en finir avec les mensonges du féminisme, Paris, Nouvelle Librairie, 2023.
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Propst Dr. Gerald Goesche leitet das Institut St. Philipp Neri in Berlin, eine kleine, traditionell katholische Gemeinde mitten im Herzen der weitgehend atheistischen und linksliberalen Bundeshauptstadt. David Engels sprach mit ihm für "Deliberatio" über seine Mission, das Leben in Berlin, die lateinische Messe, die Zukunft des Christentums und das Streben nach dem Wahren, Schönen und Guten.
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