Der deutsche Bundesinnenminister gilt als Verfassungsminister. Ihm ist deswegen auch der Verfassungsschutz unterstellt, ein Bundesamt, das für die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche Grundordnung zuständig ist.
Der Inlandsgeheimdienst hat in den vergangenen Jahren immer mehr unter dem Eindruck gelitten, dass er politisch instrumentalisiert werden könnte; und seit dem Einzug der sozialdemokratischen Innenministerin Nancy Faeser ins Amt stellt sich in Deutschland prinzipiell die Frage, ob ein Ministerium mit ideologischer Schlagseite womöglich selbst gegen die Verfassung verstößt.
Faeser ist seit Dezember 2021 Ministerin. Schon im ersten Monat ihrer Amtszeit kam heraus, dass sie für das linksradikale Magazin „antifa“ einen Artikel geschrieben hat. Die Zeitschrift wird von einem Verein herausgegeben, der selbst vom Verfassungsschutz in Bayern beobachtet wird. Der Vorfall hatte Signalwirkung: Die neue Regierung machte vom ersten Tag an klar, dass offenbar beim Linksextremismus andere Maßstäbe gelten als beim Rechtsextremismus. Anders kann man es nicht deuten, wie Faeser die kritischen Fragen zu dieser Handlung in ihrer Zeit als hessische Landespolitikerin als „Kampagne“ abtun wollte, ohne auf die Vorwürfe einzugehen.
Es war nur der Auftakt zu einer Amtszeit mit bemerkenswerter Schlagseite. Dabei steht die Unterstützung der Massenmigration, die Ablehnung von Obergrenzen sowie Grenzkontrollen noch auf einem ganz eigenen Blatt, die man mit der „Refugees Welcome“-Ideologie erklären mag. Gewichtiger war da schon die Vorstellung eines neuen „Phänomenbereiches“, den der Verfassungsschutz nunmehr beobachten will. Während die Kategorien Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus zumindest historisch gewachsen sind und damit auch die Definition leichter fällt, hat der Verfassungsschutz mit dem der neuen Gefahr „Delegitimierung des Staates“ ein Feld gefunden, dass so schwammig ist, dass er nahezu alles darunter subsumieren kann. Juristen haben zu Recht angemerkt, dass der Staat damit die Grenze zwischen Regierungskritik und prinzipieller Staatskritik auflöst. Ist man bereits Extremist, wenn man gegen die utopischen Projekte einer linksideologischen Regierung ist? Im Zweifelsfall: vielleicht.
Die „Akte Faeser“ hat demnach einen Vorlauf. Faeser hat aber mit einem aktuellen Skandal nicht nur wieder auf ihr mangelndes Gespür für den Rechtsstaat aufmerksam gemacht, sondern Zweifel daran geweckt, wie viel die Verfassung in Deutschland überhaupt noch gilt. Konkret macht ihr die Personalie Arne Schönbohm zu schaffen. Schönbohm war im Innenministerium für die Cybersicherheit zuständig. Dort lag er mit Faeser über Kreuz. Er plädierte dafür, Mobilfunkplattformen auf Sicherheitslücken in deren Betriebssystem aufmerksam zu machen, die es ermöglichen, von außen in die Kommunikation einzudringen. Das Ministerium war dagegen, denn die Sicherheitslücken erlaubten es Polizei und Geheimdiensten mitzulesen. Ursächlich war also der Konflikt zwischen dem Abhörwillen Faesers und den Sicherheitsbedenken Schönbohms.
In einer Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) kolportierte dann der Komiker Jan Böhmermann in einer angeblich investigativen Ausgabe seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ eine ganze Reihe von Narrativen, Beschuldigungen und Unterstellungen, welche die Russlandnähe Schönbohms suggerieren sollten. Wie mittlerweile herausgekommen ist, soll es im Zuge dieser Sendung auch zu einem Telefonkontakt zwischen Innenministerium und der Böhmermann-Redaktion gekommen sein. Der Staat spielte über das Staatsfernsehen also über Bande. Der öffentliche Druck sollte die Vernichtung Schönbohms einleiten – denn aus Mangel an Belegen waren die Vorwürfe von Anfang an ohne Substanz.
In dieser Situation wurde es eng für Faeser. Sie pokerte: Indem sie dem Beamten die Weiterführung der Dienstgeschäfte verbot, suggerierte sie, dass es tatsächlich Material gegen den Chef der Cyberabwehr gab. In Wirklichkeit gab es aber nichts, was ein Disziplinarverfahren gerechtfertigt hätte – weshalb sie auch keines einleitete. Stattdessen beauftragte sie den Bundesverfassungsschutz, dass dieser etwas finden sollte, um Schönbohm zu desavouieren. Zustände, wie man sie eigentlich aus dem Stalinismus, aber nicht aus der Bundesrepublik kennt: wenn jemand unschuldig ist, muss man eben jemanden beauftragen, der etwas findet, sodass er schuldig wird. Schönbohm wurde ausspioniert, aber trotz ihrer Forderung fand der Inlandgeheimnis nichts. Laut einem Dokument zeigte sie sich darüber unzufrieden. Zitat:
„Sie [Faeser] war […] sichtlich unzufrieden. Sie fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu ‚dünn‘ – wir sollten nochmals BfV abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen. Ich habe ihr gesagt, dass wir alle relevanten Behörden und Abteilungen bereits beteiligt hätten und es schlicht nicht mehr gäbe.“
Der Skandal hat aber damit noch kein Ende gefunden. Denn trotz mehrfacher Vorladung vor das Parlament hat Faeser sämtliche Anfragen ignoriert. Als der Innenausschuss sie wegen Ungereimtheiten in der Causa Schönbohm befragen wollte, meldete sich Faeser schlicht krank – obwohl noch tags zuvor putzmunter auf einer Wahlveranstaltung in Hessen. Bei einer Rede im Bundestag ließ sie keine Fragen zu. Alexander Wendt, einer der bedeutendsten deutschen Journalisten in der kritischen Medienlandschaft, hat den Vorfall im Magazin Tichys Einblick bemerkenswert prägnant auf den Punkt gebracht:
„Hätte der polnische oder ungarische Innenressortchef den Geheimdienst in Marsch gesetzt, um auf Biegen und Brechen etwas Kompromittierendes gegen einen in Ungnade gefallenen Spitzenbeamten zu beschaffen, dann hätte sich die Bundesregierung unter Garantie des Themas angenommen. Und die meisten Medien im Gleichtakt auch.“
Doch nichts davon geschieht. Nicht nur, weil das Innenministerium und der Geheimdienst in eine Affäre verwickelt sind, die eigentlich zu den größten Nachkriegsskandalen der Bundesrepublik gehören müsste. Sondern auch, weil das ZDF gebührenden Anteil daran hatte. Die Folge: die öffentlich-rechtlichen Medien haben das Thema wochenlang totgeschwiegen. Der Fernsehzuschauer erfuhr so gut wie nichts. Auch das sind Phänomene, die man aus sozialistischen Systemen kennt. Aber der Vergleich der Bundesrepublik mit sozialistischen Systemen – vermutlich wird auch das bald Grund genug sein, als „Delegitimierer des Staates“ abgehört zu werden.
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