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Ein König für Deutschland

2023-06-12
Zeit zum Lesen 8 min
König Karl III. besucht Deutschland und setzt damit eine Traditionslinie seiner Mutter fort. Nicht so sehr der Besuch selbst, denn die Reaktionen darauf werfen ein bezeichnendes Licht auf Deutschland im Besonderen und Europa im Allgemeinen. Monarchie, so hatte man den Eindruck, sei eigentlich etwas, das ins Mittelalter gehörte. Nicht nur einige Medien machten aus ihrer Ignoranz bezüglich der Geschichte und Position eines ausländischen Staatsoberhauptes keinen Hehl; mit der Linkspartei agitierte sogar eine Partei offen gegen den Besuch des Königs.

Anstoß nahmen die Linksradikalen daran, dass der König vor dem Bundestag sprach. Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Ates Gürpinar, verstieg sich sogar zur Aussage: „Einen König im Bundestag sprechen zu lassen, halte ich für absurd. Erinnern wir uns: Monarchien sind im Grunde Diktaturen mit mehr historischem Lametta.“ Und das aus dem Munde eines Mitglieds einer Partei, die vor 1989 noch SED hieß und damit selbst eine Diktatur anführte.

Auch eine selbsternannte Satire-Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens schloss sich dieser Sichtweise an. Sie verhöhnte Anhänger der AfD damit, dass sich diese gegen eine vermeintliche „Ökodiktatur“ wehrten, aber offenbar nichts gegen einen König hätten. König, das ist im herrschenden deutschen Diskurs eine Louis XIV.-Gestalt, obwohl ausgerechnet das deutsche Wahlkönigtum des Mittelalters und der Frühen Neuzeit alles andere als eine absolutistische Herrschaftsform war.

Man muss kein Royalist sein, um in diesen vulgären Reflexen eine Ignoranz zu erkennen, die für das vermeintlich fortschrittliche, weltoffene und tolerante Deutschland typisch sind. Es ist zugleich ein anti-europäischer Geist, der schon damit beginnt, sich mit den exotischsten Ländern der Welt zu beschäftigen, aber nicht zu realisieren, dass allein vier Nachbarstaaten Deutschlands einen Monarchen an ihrer Spitze wissen.

Überdies muten diese Vergleiche insbesondere aus deutscher Perspektive merkwürdig an; wüteten auf deutschem Boden doch gleich zwei Diktaturen im letzten Jahrhundert, nachdem die Monarchie abgeschafft worden war, indes die Beneluxstaaten oder die nordischen Länder von solchen Umwälzungen verschont blieben. Dass die einzige Diktatur der englischen Geschichte rund 400 Jahre zurückliegt und die einzige Episode bildet, in der das Land gerade keinen König hatte, gehört ebenso zur Geschichtsvergessenheit einer vermeintlichen deutschen Elite wie der Umstand, dass im Reichstagsgebäude mit dem ehemaligen Kaiser mehrmals ein Monarch zum Parlament gesprochen hat.

Der Abwehrreflex erscheint noch deutlicher, bedenkt man, dass mit Karl III. ein moderater, wenn nicht gar progressiver Monarch das Ruder übernommen hat, dessen ökologische Ideale durchaus Anknüpfungspunkte an linksliberale Projekte bietet. Der Hintergrund der deutschen Befindlichkeiten ist demnach in einer prinzipiellen, nicht nur einer spontanen Aversion gegen die Persönlichkeit des Königs zu finden.

Der Umgang mit dem Auftritt des britischen Monarchen enthüllt demnach nicht nur eine Kleinkariertheit in Kenntnissen europäischer Hintergründe und der Überheblichkeit gegenüber anderen Ländern; letztere aber durchaus motiviert von dem Gedanken, im Grunde „fortschrittlicher“ zu sein als die anderen, weil Monarchien per se rückständiger sein müssen als Republiken. Sie gründet in einer selbstverursachten historischen Amnesie.

Es wäre zu kurz gesprungen, diese historische Amnesie nur als Reaktion auf die Verbrechen des Nationalsozialismus zu deuten. Sie schließt mittlerweile auch die Adenauer-Jahre und damit die Zeit bis 1968 ein. Die Amnesie ist verordnet; sie bestärkt die Generationen, die seit den 1968ern den „Marsch durch die Institutionen“ getätigt hat darin, dass es vor ihr gar keine nennenswerte Geschichte gegeben hat. Nur die Geschichte, die sie selbst mittrug, selbst formte, selbst miterlebt hat, hat einen höheren Wert.

Aus der Sicht dieser Generation mag Hitler als absolutes Böse eine negative Orientierungsgestalt sein. Doch der Weg zu ihm wird als zwingende historische Entwicklung angesehen. In einer geschichtsdeterministischen Deutung ist nur dieser eine historische Weg, diese eine historische Entwicklung möglich. Das heißt: die gesamte Geschichte vorher ist Fußnote. Der Eigenwert historischer Entwicklungen, die Leistungen von Kunst und Kultur, die Aufopferung für höhere geistige Werte, die tragischen menschlichen Schicksale werden herabgedemütigt als Erscheinungen weniger fortschrittlicherer Menschen, die es nicht besser wussten. Dort die untergegangene Welt, hier das beste Deutschland aller Zeiten.

Der deutsche Fall ist nur ein Exempel. In ganz Europa greift eine fragmentarische Auffassung der Vergangenheit um sich. Sie besteht nur aus verschwommenen Bildern der Vergangenheit, Versatzstücke, die als bloße Stichworte herhalten, um die Gegenwart möglichst gut darzustellen. Zu solchen Geschichtsauffassungen gehört ein seit Jahren zirkulierendes Diagramm, das aufzeigt, dass in Europa vornehmlich Krieg herrschte, bis die EWG gegründet wurde. Ganz ab davon, dass die „Friedenszeit“ ab 1955 eher dem nuklearen Gleichgewicht des Schreckens geschuldet war, propagieren solche Bilder einen Fortschritt, den es in dieser Form nicht gegeben hat, da sich die Qualität des Krieges grundlegend gewandelt hat; die Kabinettskriege und Einigungskriege sind in ihrer Begrenzung und ihrer Auswirkung kaum mit dem Vernichtungsfeldzug des Zweiten Weltkrieges zu vergleichen.

Dass Europa eine tieferfliegende Seele haben könnte, die sich nicht in abstrakten Werten erschöpft, sondern in einer gemeinsamen Geschichte, in der die abendländische Monarchie eine zentrale Rolle spielte, bleibt dieser relativistischen Deutungselite fremd. Ihr ist selbst ein linksliberaler Monarch ein Dorn im Auge. Freilich trat das Phänomen bei König Karl weniger in Erscheinung als etwa bei dem „deutschen“ Papst Benedikt XVI. Dessen Besuche in der Heimat sorgten für eine angriffsbereite Feindseligkeit. Vermutlich, weil Benedikt anders als Karl deutlich besser akzentuierte, an was die Progressiven und Liberalen nicht erinnert werden wollten.

 

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