Dürfen Bundesministerien Aufträge an Journalisten vergeben? Grundsätzlich sollte das kein Problem sein. Denn auch Ministerien brauchen zur Aufgabenerfüllung immer wieder die Hilfe professionell geschulter Journalisten. Demnach sollte es nicht verwundern, wenn etwa bei einer Veranstaltung ein Journalist angeworben wird – schließlich braucht es einen Moderator, der sein Metier kennt. Auch bei der Video-Erstellung und so manchem Workshop kann es durchaus richtig sein, auf die Hilfe eines Journalisten zu vertrauen.
Problematisch werden solche Aufträge jedoch, wenn sie sich mehren – insbesondere bei einer Person. Und insbesondere ist dies ein Problem, wenn die Aufträge öffentlich-rechtliche Journalisten betreffen, die eigentlich zur Staatsferne verpflichtet sind. So hat die Bundesregierung fast 1,5 Millionen Euro in den letzten fünf Jahren für Aufträge an Journalisten ausgegeben – der bedeutend höhere Teil entfiel auf die öffentlich-rechtlichen.
Die Summe mag auf den ersten Blick wenig erscheinen. Doch der Fall zeigt ein tiefergehendes Problem auf, dass auch weit über die Grenzen Deutschlands geht: wie glaubwürdig ist der Journalismus der öffentlich-rechtlichen Sender? Und wie transparent ist die ganze Angelegenheit, wenn die Anfrage der AfD, die diesen Vorgang enthüllte, nur unzureichend beantwortet wird – weil sie die Journalisten und ihre genauen Gehälter anonymisiert? Schützt hier der Staat nicht eher sein eigenes Gefälligkeitssystem, mit dem er Journalisten an sich bindet?
Es existiert seit einiger Zeit ein merkwürdiger Diskurs in Deutschland, der davon ausgeht, dass Regierungskritik nicht mehr das zentrale Anliegen der Presse sei, sondern eine „Haltung“. Im Zuge dieser Diskussionen warfen die Vertreter der Haltungslinie in die Runde, dass der Auftrag der Regierungskritik antiquiert sei. Sie stamme aus einer Zeit, als die „Vierte Gewalt“ als Anwalt dienen musste, weil es keine Demokratie gab, oder diese nur sehr unzureichend bestand. Mit der Demokratisierung und Liberalisierung fiele aber dieser Anspruch weg; denn nunmehr gelte es eben diese Demokratie – sprich: Staat – und seine Errungenschaften zu verteidigen.
Eine solche Kritik übersieht die zentrale Stellung eines Vordenkers im Bezug auf Demokratietheorie und der Verortung der Presserolle in der Demokratie. Es handelt sich um Alexis de Tocqueville. Tocqueville hat nicht über die Monarchie, sondern über die Demokratie in Amerika geschrieben, und bewusst hervorgehoben, dass eine Presse eben nicht in der Monarchie, sondern gerade in der Demokratie das Korrektiv bildet. Ein Korrektiv im Übrigen, ohne dass die Demokratie zur Tyrannei der Mehrheit pervertiert.
Tocqueville bemerkt, dass es in einer Monarchie oder Aristokratie stets Partikularismen gibt, die nicht vom Mehrheitswillen zerstört werden können. Einzelne Adlige sind aufgrund ihrer Position unabhängig und können ihre eigene Position einnehmen. Auch der König ist nicht von den Wünschen einer Mehrheit abhängig, sondern kann aufgrund seiner Stellung Unabhängigkeit bewahren. In einer Gesellschaft allerdings, in der die öffentliche Meinung alles zählt, muss die Presse aktiv werden, weil die Minderheiten sonst unter der Gewalt der Mehrheit zerdrückt wird.
Dass die Presse heute bevorzugt eine Meinung zur öffentlichen Meinung hochschreibt und damit ebenfalls politische Minderheiten zerdrückt, steht dabei noch auf einem ganz eigenen Papier; vorrangig steht für Tocqueville der Gedanke im Vordergrund, dass eine politische Minderheit in einer von Mehrheiten bestimmten Gesellschaft nicht mehr ihre Interessen oder politischen Ideale durchsetzen kann. Deswegen braucht es die Presse: sie gibt dem Einzelnen gegen die Vielen, der Minderheit gegen die Mehrheit ein Mittel.
Vor diesem Hintergrund ist die Bezahlung vermeintlich staatsferner Journalisten durch den Staat zu betrachten. Denn es ist zweifelhaft, ob eine Staatsferne gegeben ist, wenn der Staat mit Alimenten lockt. Der eigentliche Missetäter ist demnach nicht einmal der Journalist, sondern der Staat. Als kaltes Ungeheuer versucht er eine unabhängige Gewalt unterzuordnen. Es sollte daher auch nicht weiter verwundern, dass Journalisten diverser Privatmedien den Fehler ihrer Kollegen durchaus in die Öffentlichkeit getragen und kritisiert haben, im Wissen, dass auch ihre eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die in Deutschland schon seit längerer Zeit im Verdacht der Hofberichterstattung stehen, haben ihr eigenes Versagen, ihre eigene Verstrickung, und ihren eigenen Anteil an der Aushöhlung des Korrektivs vollständig beschwiegen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat dabei erst einen Skandal hinter sich. Im letzten Jahr stellte sich heraus, dass sich der Vorstand einer Landesanstalt regelmäßig Bonuszahlungen verordnete. Das war nur die Spitze des Eisberges an Verschwendung und Günstlingswirtschaft, über den die Intendantin Patricia Schlesinger stürzte; sie wurde zugleich als willkommenes Bauernopfer abgewiegelt, um die seit Jahren herrschenden Missstände in den Anstalten weiterhin aussitzen zu können. Für jeden, der nur ansatzweise im liberalen – nicht einmal konservativen – Spektrum beheimatet ist, ist das Belehrungs- und Regierungsprogramm des Rundfunks zu einer Tortur verkommen, der weiterhin den Anspruch vertritt, ein Qualitätsmedium der 1970er Jahre zu sein, obwohl selbst in Meldungen der legendären Tagesschau nicht nur offensichtliche Falschmeldungen vorkommen, sondern selbst handwerkliche Fehler zunehmen, und mag es nur auf dem Feld von Grammatikfehlern sein.
Die Institution, die wie kaum eine andere das demokratische Korrektiv zerstört, nennt ihren Gebührenbeitrag eine „Demokratieabgabe“. Nicht zum ersten Mal haben die Sender den Teufel an die Wand gemalt, dass eine Rückkehr des Nationalsozialismus de facto unabwendbar sei, wenn es erst einmal kein öffentlich-rechtliches Programm mehr in Deutschland gäbe. Wäre der Steuerzahler in der Krise nicht schon genug gebeutelt, so bestehen bereits Überlegungen, den monatlichen Gebührenbetrag auf bis zu 25 Euro zu erhöhen. Derzeit zahlen die Deutschen etwas mehr als 18 Euro für ihre Erziehungsanstalten.
Dass demnach ausgerechnet die regierungsnahen öffentlich-rechtlichen Journalisten auch noch Zusatzaufträge bekommen, nährt das Bild eines Selbstbedienungsladens, der längst zur Nebenfiliale der jeweiligen Bundesregierung heruntergekommen ist und fegt auch das letzte Vertrauen in eine unabhängige Medienlandschaft davon. Das Ereignis ist demnach nur ein Mosaikstein. Wer indes die Ministerien nach Namen und Geldern fragt, stößt auf eiserne Verschwiegenheit. Der Datenschutz sei wichtig. Das Verteidigungsministerium sah sich nach einer Anfrage des Magazins Tichys Einblick in der Zwangslage zuzugeben, dass es einen speziellen Vertrag mit einem sehr bekannten Moderator des zweiten deutschen Fernsehprogramms gebe, man aber aufgrund dieses Vertrags nicht die Bezahlung nennen könne.
Um es zusammenzufassen: im Ministerium debattiert man noch, ob ein Vertrag mit einem Fernsehmoderator höher zu bewerten ist als das Fragerecht von Bundestagsabgeordneten oder Presseanfragen. Das ist der Zustand der vermeintlichen Trennung von Staat und öffentlich-rechtlichen Anstalten im Deutschland des Jahres 2023.
In diesen Kontext gehört auch, dass Journalisten vom Bundesnachrichtendienst (BND) Aufträge annahmen. Während die Ministerien zumindest Gesamtsummen und Aufträge angaben, sowie als Zahlen verschlüsselte Journalisten, so blockte die Bundesregierung jede Information zum deutschen Auslandsgeheimdienst ab. Bereits die Angabe einer Gesamtsumme, die der BND für Journalistenaufträge ausgegeben habe, ordnete die Bundesregierung als „staatswohlgefährdent“ ein. Vielleicht, so könnte man die Antwort deuten, stimmt das sogar tatsächlich.
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