Länderbericht Deutschland im Juni 2023: Die „Ampel“ will die Wärmepumpe um jeden Preis – und sorgt für politische Instabilität
Der deutschen Bundesregierung entgleiten zunehmend die Zügel. Seit Monaten streitet sie um ihr neuestes Projekt: die „Wärmewende“. Sie ist an die Energiewende angelehnt, die Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft forcierte und mit dem Gießkannenprinzip „Erneuerbare Energien“ aufzog.
Dass Deutschland damit eine gewaltige installierte Leistung an Gigawatt hochgezogen hat, ist eine Sache; dass aber die (noch) führende Volkswirtschaft der Europäischen Union bei einer sog. Dunkelflaute – heißt, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint – nicht auf diese zurückgreifen kann, eine andere. Aufgrund der Ermangelung von Speichern muss Deutschland ausgerechnet den Atomstrom aus Frankreich oder den „schmutzigen“ Kohlestrom aus Polen importieren. Deutschland will Weltmeister im Klimaschutz sein, liegt aber bei der Emission von CO2 weiterhin im Spitzenbereich. Es gibt Länder in Europa, die ganz ohne milliardenschwere „Energiewende“ klimafreundlicher wirtschaften als das vermeintlich grüne Deutschland.
Aus dem letzten Jahrzehnt katastrophaler Energiepolitik hat Deutschland jedoch wenig gelernt. In ähnlicher Weise verfolgen die abwechselnden Bundesregierungen seit Jahren eine Verkehrswende, die auf Spielzeuge wie E-Scooter und Lastenräder setzt. Obwohl die deutsche Dieseltechnologie zu den effizientesten Antriebssystemen zählt, soll der Verbrennungsmotor der Elektromobilität weichen – ein Plan, der lange vor dem Verbrennerverbot feststand. Angesichts der oben besprochenen Energiewende ist fraglich, woher der Strom für die E-Autos kommen soll, wenn nach den Atomkraftwerken auch die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen, Deutschland aber immer noch keine Speicher für Wind- und Sonnenergie besitzt. Frankreich und Polen werden kaum über die Ressourcen verfügen, Deutschland „mitzuschleppen“. Zwangsläufig soll in Deutschland der Autoverkehr prinzipiell eingeschränkt werden. Insbesondere die Bundeshauptstadt Berlin experimentiert mit dem Rückbau von Parkplätzen und Straßenspuren, die Fahrradwegen weichen sollen. Das Experiment verläuft derzeit eher desaströs.
Nun also die Wärmewende. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hat den Plan gefasst, dass die Wärmepumpe als – neuerlich – elektrische Alternative zu „fossilen“ Öl- und Gasheizungen dienen soll. Wie dies dem Klimaschutz nützt, wenn Strom derzeit immer noch erheblich aus genau diesen „fossilen“ Elementen gewonnen wird, ist dabei ebenso zweitrangig wie die Frage, woher der Strom kommen soll, wenn bereits das E-Auto-Projekt an demselben Problem zu scheitern droht. Dass der Einbau einer Wärmepumpe je nach Gebäude 50.000 bis 100.000 Euro kosten kann, rüttelte selbst die protestscheuen Deutschen auf, die nun entweder als Hausbesitzer oder Mieter über eine „Modernisierungsumlage“ zur Kasse gebeten werden könnten.
Zwar hat die Ampel nach einem internen Streit das Gesetz aufgeweicht. Die böse Ahnung bleibt bestehen, dass dies nur das erste Kapitel in einem weiteren Projekt von Steuergeldverschwendung und Steuerzahlerplünderung sein könnte. Befürworter der Wärmepumpe zeigen nach Frankreich, wo das Projekt längst angelaufen sei, ohne jedoch auf die Rahmenbedingungen – etwa günstigerer Atomstrom – zu verweisen. Kritiker indes erinnern an das Beispiel Italien, wo die Vergünstigungen zu einer regelrechten Betrugswelle geführt hatte. Dass der Wirtschaftsminister überdies den Einbau von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr plant, obwohl das deutsche Handwerk davor gewarnt hat, dass es überhaupt nicht über eine Mannstärke verfügt, um eine solche Aufgabe in der Theorie zu bewältigen, spricht ebenfalls kaum für die Realisierbarkeit des Projekts.
Für die Koalition war der Konflikt um die Wärmepumpe eine Kraftprobe. Sowohl die Sozialdemokraten als auch die Liberalen haben berechtigte Sorge davor, Teile ihrer Klientel bei der nächsten Wahl zu verlieren, weil sie sich nicht genügend gegen das Gesetz gestemmt haben. Andererseits würde ein Koalitionsbruch bereits jetzt abgestraft werden: die schlechten Umfrageergebnisse haben dazu geführt, dass sich alle Parteien zusammenrauften, um das Gesetz noch vor der Sommerpause am 7. Juli durch den Bundestag zu bringen. Dass dies angesichts eines so weitreichenden und kritisierten Gesetzesentwurfes auf Kosten der Qualität des Gesetzes geht, ist weitreichend bekannt, wird aber ignoriert. Die Hoffnung besteht, dass das Gesetz mit der Sommerpause vergessen würde, indes eine weitreichende Besprechung und Korrektur dazu führen könnte, dass der Streit in der Regierung und der Unmut in der Bevölkerung weiter anwächst. Doch die Methode, das umstrittene Paket möglichst schnell durch das Parlament zu boxen, hat erst recht das Misstrauen der Opposition und der Bürger geweckt.
In der bayerischen Stadt Erding, ein Ort in der Nähe von München mit rund 36.000 Einwohnern, hat sich zum ersten Mal der Unmut über die Ampelregierung in einer Art und Weise entladen, wie man es bisher nur aus dem Osten des Landes kennt. Sonst ist Erding bekannt für das gleichnamige Weißbier; am 10. Juni protestierten dort über 13.000 Menschen gegen die grüne Klimapolitik. Das war in einer solchen Konstellation bisher eine Singularität in der deutschen Bundespolitik. Zwei Wochen später wählte der thüringische Landkreis Sonneberg zum ersten Mal einen Landrat der rechtsnationalen AfD. Man muss konstatieren: die Bundesregierung tut derzeit ihr Möglichstes, dass solche Ausnahmeerscheinungen bald die Norm sein könnten.
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