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Wie eine Öko-Lobby Deutschland steuert

2023-06-04
Zeit zum Lesen 8 min
Staatssekretäre sind die eigentlichen Gehirne der Ministerien. Minister sind als Politiker Blickfang der Medien, müssen sich parteipolitisch profilieren, rechtfertigen und stehen häufiger vor den Kameras, als dass sie das operative Geschäft leiten können. Wenn eine Partei daher ein Ministerium führt, sagt das noch nichts darüber aus, wie dieses Ministerium verwaltet wird. Manche Staatssekretäre bleiben legislaturübergreifend im Amt. Sie kennen die wichtigen Schaltstellen, die Tricks und Kniffe bei Gesetzen und verfügen über langjährige Beamtenerfahrung.

Trotz ihrer Macht rücken Staatssekretäre nur selten ins Rampenlicht. Doch seit dem letzten Monat hat sich das in Deutschland erheblich geändert. Patrick Graichen ist Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Hausherr Robert Habeck ist als Vizekanzler die gefühlte Nummer 2 des Landes nach Kanzler Olaf Scholz. Die Grünen nutzen dieses Ministerium seit dem Regierungswechsel, um das voranzutreiben, was sie als „Große Transformation“ bezeichnen. Es handelt sich demnach um ein Schlüsselministerium, an dem die Macht der Grünen in der Bundesrepublik hängt.

Doch seit Wochen kommen Habeck und Graichen nicht aus den Schlagzeilen. Ausgerechnet die hochmoralischen Grünen sind in eine Filz-Affäre verstrickt, die das Potenzial hat, die stärkste grüne Bewegung auf europäischem Boden zu sprengen. Es ist eine Affäre, die auf zwei Ebenen stattfindet. Einerseits betrifft es das persönliche Netzwerk des Staatssekretärs Patrick Graichen. Denn er ist mit einem weiteren (Parlamentarischen) Staatssekretär verschwägert, der ebenfalls im Wirtschaftsministerium arbeitet: Michal Kellner. Kellners Ehefrau – Graichens Schwester – Verena Graichen arbeitet wie Graichens Bruder beim Öko-Institut, das Gelder aus dem Ministerium erhält. Zusätzlich nominierte Graichen seinen Trauzeugen Michael Schäfer zum Chef der Deutschen Energie-Agentur (DENA).

Soweit zu den persönlichen Verflechtungen. Dazu kommt aber noch eine viel gravierendere. Denn Graichen ist Teil eines Öko-Netzwerks, das die deutsche Energiepolitik seit Jahren mitbestimmt. Vor seiner Berufung zum Staatssekretär war Graichen Direktor des Think Tanks „Agora“, der ein weitläufiges Netzwerk gesponnen hat. Finanziert wird dieser Think Tank wiederum zu einem nicht geringen Teil von millionenschweren US-Klimastiftungen. Dass die Energiepolitik Deutschlands nicht vom deutschen Parlament, sondern womöglich ganz woanders entschieden werden könnte, ist im Zuge der Affäre um Graichen evident geworden. Dass grüne Lobbys dabei Fördergelder abgreifen, weil ihre Vertrauten in den Behörden arbeiten und die eigene energiepolitische Agenda vorantrieben, ebenso.

Ab Ende April eskalierte die Affäre, weil diese Details auch die etablierte Presse erreichten. Dabei hatte das Magazin Tichys Einblick über diese Zusammenhänge schon zur Jahreswende 2021/2022 geschrieben und die Personalie Graichen sowie ihre Verstrickungen immer wieder beleuchtet. Mit einem Paukenschlag kamen diese Informationen nun in eine breite Öffentlichkeit. Am Ende stand die Demission Graichens. Doch nach seiner Entlassung ist vor seiner Entlassung: schließlich lebt das von Graichen und seinen Vorgängern geknüpfte Öko-Netzwerk der „Agora“ fort.

Insgesamt 8 Staatssekretäre sitzen oder saßen im „Rat der Agora“, einem vermeintlichen Debattenforum der Denkfabrik. Vermeintlich deswegen, weil dieses Debattenforum nach den Chatham Rules stattfindet, heißt: was in der „Agora“ passiert, bleibt vertraulich. Neben Vertretern der Exekutive sitzen auch Vertreter von Parteifraktionen auf Bundes- und Landesebene in dem Gremium, um die Energiewende Deutschlands zusammen mit Vertretern aus Wirtschaft, und Zivilgesellschaft zu versprechen. Ein überparteiliches Netzwerk, in dem Politik vorgedacht und offensichtlich auch gemacht wird – ohne parlamentarische Kontrolle.

Denn schon bevor Patrick Graichen seinen Posten als „Agora“-Direktor räumte und in das Wirtschaftsministerium berufen wurde, hatte die „Agora“ Ideen zur Energiewende vorgedacht und lanciert. Ihre Studien galten vor allem Vertretern der Grünen als Argument. Ob das Verbot des Verbrennungsmotors, der Rückbau des Gasnetzes oder nun der massenhafte Austausch von Öl- und Gasheizungen zugunsten der Wärmepumpe – allesamt stammen sie aus dem Hause „Agora“. Denn bereits vor Graichen hatte das „Agora“-Netzwerk seine Wurzeln in den Ministerien geschlagen.

Zu der Geschichte der grünen Lobby gehört deswegen auch, dass seit der Rot-Grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder mindestens ein Vertreter in den Ministerien sitzt. Der erste hieß Rainer Baake. Er gilt als eigentlicher „Pate“ der deutschen Energiewende. Baake kam 1998 als Staatssekretär ins grün geführte Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin. Baake war 2012 auch der Begründer der „Agora“ und holte Graichen – damals noch Beamter im Umweltministerium – ins Boot. Baake blieb bis 2014 Direktor der Denkfabrik, weil er danach neuerlich zum Staatssekretär berufen wurde – ins Wirtschaftsministerium. Von 2014 bis 2021 leitete Graichen den Think Tank.

Die deutschen Medien und die deutsche Politik tun ihr Möglichstes, die wahren Ausmaße dieses Skandals kleinzureden. Dass „Agora“-Mitglieder wie Jochen Flasbarth jahrelang im Bundesumweltministerium saßen und Millionen Euro Fördergelder an befreundete NGOs zuschusterten, nimmt man schulterzuckend hin. Auch Flasbarth: ein Staatssekretär. Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet so gut wie keine Aufklärungsarbeit. Vielmehr wird versucht, aus der „Agora“-Affäre eine Affäre Graichen oder gar eine „Trauzeugen-Affäre“ zu machen. Dabei ist Graichen gar nicht über den von ihm mitbestimmten DENA-Chef gefallen, sondern darüber, dass er 600.000 Euro an eine grüne NGO überwies, in deren Vorstand seine Schwester saß.

Doch nicht nur medial zeigt Deutschland erhebliche Defizite. Mit Udo Philipp rückte in derselben Zeit ein zweiter Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium ins Licht. Philipp ist in seiner Position für deutsche Start-ups verantwortlich – obwohl er selbst an Start-ups beteiligt ist. Es existieren mehrere Verdachtsfälle, in denen Philipp seine ministeriellen Verantwortlichkeiten und seine privaten Interessen verknüpft hat. Eigentlich ein ausgewachsener Skandal: denn bereits der Anschein einer solchen Vorteilsnahme ist problematisch.

Doch nach seinen schlechten Erfahrungen hat Habeck kurzerhand das parlamentarische Fragerecht ausgehebelt: die Abgeordneten der Opposition durften in der Anhörung ihre Fragen nur gesammelt stellen, keine Rückfragen machen und auch nicht direkt mit dem Staatssekretär sprechen. Zustände, wie man sie aus Bananenrepubliken kennt. In Deutschland sind die Bananen lediglich grün.

 

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