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Ein grüner Wirtschaftsminister bedroht ein Natur- und Touristenparadies

2023-04-20
Zeit zum Lesen 6 min
Rügen ist ein romantischer Sehnsuchtsort der Deutschen. Die größte Insel der Republik hat heute vor allem einen Ruf als Touristenort, Seebad und Naturreservat. Doch in der deutschen Seele bleibt eine Erinnerung wach: in der romantischen Malerei Caspar David Friedrichs haben sich die Kreidefelsen in das Gedächtnis eingebrannt. Es ruht in der stillen Einkehr der Moment; blickt die Höhe in die Tiefe; wandert das Auge sehnsüchtig in die Ferne. Friedrich in Greifswald geboren, das wie Rügen in Vorpommern liegt. Auf Rügen selbst wurde der romantische Dichter und Freiheitskämpfer Ernst Moritz Arndt geboren.


Einer der größten Irrtümer der deutschen politischen Geistesgeschichte besteht darin, die Grünen als Romantiker zu bezeichnen. Das ist höchstens die halbe Wahrheit. Denn mit der historischen Romantik haben die deutschen Grünen so gut wie gar nichts gemein. Die Grünen sind hochpolitisch und wollen die Politik bis in den privatesten Winkel tragen; die deutschen Romantiker dagegen entzogen sich der Politik fast vollständig. Der Vorwurf Heinrich Heines lautete ja nicht, dass sie sich zu viel um die Politik kümmerten, denn vielmehr zu wenig. Er beklagte den Bau des Kölner Doms im 19. Jahrhundert, weil er in die Vergangenheit schaute und Deutschlands Standpunkt in der Welt im christlichen Mittelalter verortete.

Das grüne Lager dagegen will eben nicht in die Vergangenheit zurück. Alles Vergangene ist ihm zutiefst zuwider. Der Glaube daran, durch das möglichst zahlreiche Aufpflanzen von Windkraftanlagen das Weltklima zu retten, mag in seinem kern naiv sein, es ist aber nicht romantisch. Es zutiefst technizistisch und dem Fortschrittsgedanken der Aufklärung verbunden, dass glaubt, auf jede Frage eine Lösung zu haben. Der Ursprung des europäischen Totalitarismus ist eben nicht in der Romantik zu verorten, sondern in einem Gast, der in Massen und Zahlen denkt. Wer glaubt, den Klimawandel auf die Kommastelle genau berechnen zu können und dieses mithilfe eines großen Plans zu lösen, steht in einer völlig anderen Denkschule.

Dass der grüne Geist technizistisch zu einem bedeutenden Anteil ist und damit im Grunde gegen die Umwelt, gegen die menschliche Essenz, gegen die Tradition und gegen den geist gerichtet ist; dass Utopie nicht Verklärung, sondern ein in Schritten zu erreichendes Ziel bedeutet; dass macht die deutsche Bundespolitik derzeit klarer als jemals zuvor. Denn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der seine Partei in nahezu allen belangen verkörpert wie kein anderer, will in der Nähe von Rügen ein LNG-Terminal errichten. In der Nähe eines Naturschutzgebietes. In der Nähe eines Touristenortes. Ohne Rücksicht auf die Menschen vor Ort.

Mitten ins Herz der deutschen romantischen Seele.

Der Traum der Grünen besteht nicht aus beschaulichen Dörfern mit ökologischem Landbau. Er besteht aus Solarpanelen, die jedes Grün ersticken. Er besteht aus See- und Hügellandschaften, verspargelt von Windkraftanlagen, welche die von den deutschen Romantikern besungene Schönheit zwischen Rhein und Elbe entstellt. Der grüne Geist befreit die Innenstadt nicht von Autos, um dort Alleen zu pflastern, damit Cafés und Buchhandlungen Einzug halten; er will die Autos durch Rennradpisten ersetzen, durch die die Radfahrer ebenso hetzen wie die Autofahrer zuvor. Das gemütliche Flanieren ist ihm so fremd wie jedes Ästhetikgefühl, das nicht über Kindergartenträume hinausgeht. Man sollte Romantik nicht mit kindlicher Naivität verwechseln.

Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort, warum der Vorzeigegrüne Habeck im Rügener Sellin – nur wenige Kilometer von einem Biosphärenreservat und einem der schönsten Sandstrände Deutschlands – einen Industriehafen bauen will, ist facettenreich. Anlass ist der Ukraine-Krieg und die damit zusammenhängende Gaskrise. Ursache ist dagegen die Energiewende. Ein Treppenwitz der Weltgeschichte: Deutschland stieg aus der Atomkraft aus und wollte „grüne Energien“. Jetzt muss deswegen die Natur daran glauben.

Zu dieser Geschichte gehört auch, dass Habeck vor kurzem nach Brasilien reiste, um den Regenwald zu schützen und den Indigenen erklärte, dass die Deutschen ihren Urwald vor 1.000 Jahren abgeholzt hätten. In Wirklichkeit soll eines der letzten Urwaldstücke in Deutschland, der märchenhafte Reinhardswald der Gebrüder Grimm – wieder ein Stück deutscher Romantik – bald zum Freischuss abgegeben werden. Obwohl Naturreservat, sollen dort Windkraftanlagen entstehen. Grüne Energien statt grünen Waldes.

Ursache dieser Tragödie: die vermeintlichen Heilsbringer, die Erneuerbaren Energien, liefern nicht das, was sie versprechen. Ohne Speicher verpufft der Strom plötzlich – und muss an die europäischen Nachbarstaaten weitergeleitet werden, wenn Deutschland zu viel produziert. Bei Windflaute und schlechtem Wetter ist Deutschland wiederum auf Importe angewiesen. Um eine Grundlast im deutschen Stromnetz zu erhalten, bedarf es daher Gas. Denn Deutschland will den Gasinfrastruktur nutzen, um eines schönen Tages auf „grünen“ Wasserstoff umzustellen. Wann dieser Moment eintritt? Die Antwort findet man vielleicht in Grimms Märchen.

Es wäre aber nichts falscher als zu denken, dass dies dann doch mit naiver Romantik zusammenhänge. Denn die Energiewende ist ein Geschäft. An ihr verdienen Politiker (über die Parteien hinweg), Verbände, NGOs und Wirtschaft. Es mag Visionäre geben, die wirklich an diese Idee glauben. Aber an Visionen glauben die Mächtigen selten. Dass sich dieses Projekt durchsetzen kann, hängt am Geld. Viel Geld, dass von Staatsseiten fließt. Lobbyisten, die früher für Kernkraft eintraten, treten nun als Verfechter von Wind- und Sonnenenergie hervor. Auch das ist keine Romantik. Sondern knallhartes Geschäft.

Die Leidtragenden sind die Steuerzahler im Allgemeinen. Und die Rügener heute im Speziellen. Zum Mosaik dieses fauligen, von Schwefel verzehrten Weges, den das grüne Gift nach sich, gehört auch eine weitere Notiz. Nach mehreren Wochen hat die „Letzte Generation“ mal wieder einen Anschlag verübt. Der außerparlamentarische Arm der Grünen vergriff sich an einem Gemälde von Caspar David Friedrich in der Hamburger Kunsthalle. Es handelt sich um eines der berühmtesten Gemälde des Malers: „Der Wanderer über dem Nebelmeer“. Die Museumsleitung reagierte mit Achselzucken. Vielleicht war sie auch eingeweiht. Denn der grüne Geist ist nicht der Erfüller, sondern der Totengräber der deutschen Romantik.

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