Indiana Jones 5 könnte ein Grab für die Hollywoodindustrie werden. In diesem Jahr sind bereits mehrere Filme der Filmindustrie gefloppt. Das Kino befindet sich in einem beinharten Wettbewerb mit neuen Formaten, die es vorher nicht gegeben hat. Schon in den 1960ern strudelten die Lichtspieltheater der Welt in die Krise, weil das Fernsehen seinen Siegeszug antrat. Heute sieht sich das Kino von Internet und Livestream herausgefordert. Wer zahlt 15 Dollar für einen Kinobesuch, wenn man für den halben Preis im Monat Netflix oder ähnliche Anbieter anschauen kann?
Der neue „Indy“-Film ist damit in mehrfacher Hinsicht ein Symptom. Die Ära des Films mit hunderten Millionen Dollar Investitionen dürfte ihrem Ende zugehen. Es lohnt sich schlicht nicht mehr. Der Streifen „Oppenheimer“ von Christopher Nolan deutet bereits in die Richtung. Zwar hatte auch dieser ein Budget von 100 Millionen Dollar. Aber diese waren auf den Exzentrismus seines Regisseurs Christopher Nolan zurückzuführen, der auf IMAX und Top-Schauspieler bestand. Der größtenteils in Räumen und mit vergleichsweise wenigen Spezialeffekten auskommende Film weist darauf hin, wie eine schlichtere Hollywoodlandschaft aussehen könnte.
Doch in dem neuen Streifen mit dem betagten Hauptdarsteller Harrison Ford bricht sich noch mehr Bahn. Er ist nicht nur ein Zeichen für das Ende einer Hollywoodära, denn auch für eine Zivilisation und ihr Selbstbild, bzw. für den Konflikt der in den Endtagen dieser Zivilisation herrscht. Der weibliche Sidekick widersetzt sich Ford mehr, als dass er in einem symbiotischen Verhältnis steht. Die junge Generation weiß alles besser, kann alles besser. Indy, selbst zu einem Relikt gealtert, bekommt in jeder Szene genau dieses Gefühl vermittelt: nämlich, ein eben solches Relikt zu sein.
Die Original-Trilogie legt die 1930er als eigentliches Zeitalter der Indiana-Jones-Filme fest. Es ist dabei nicht unwichtig zu erwähnen, dass Indy in vielerlei Hinsicht ein Vertreter der „Lost Generation“ ist. Es ist eine Generation, die nicht nur, aber auch von den Erfahrungen des 1. Weltkriegs gezeichnet den „Anschluss“ an das verloren hat, was früher galt. Sie haben keinen Rückzugsort mehr wie ihre Vorfahren. Der Topos kann sich im Verlust der Familie, im Verlust an die Religion oder im Verlust an den Technikglauben manifestieren. Der Mann der „Lost Generation“ findet keine Erfüllung mehr. Er mag zwar noch begreifen, was es heißt, zu lieben, zu glauben und zu hoffen, aber er kann es selbst nicht mehr mit der Überzeugung tun wie vorherige Generationen.
Diese Weltanschauung breitet sich insbesondere in den Filmen dann aus, wenn Indy mit dem Okkulten in Berührung kommt. Wenn Indiana Jones nach dem Heiligen Gral sucht, dann muss ihn sein Vater daran erinnern, dass es hier nicht um ein bloßes archäologisches Artefakt geht, das Ruhm und Ehre verspricht, sondern um „Mehr als das“. Die Suche nach dem Gral ist ein Kampf des Guten gegen das Böse. Es ist auffällig, wie in „Indiana Jones und der Letzte Kreuzzug“ insbesondere im letzten Fünftel christliche Themen um Demut, Glaube und Opfer einen zentralen Punkt einnehmen. Der dritte Film der Reihe geht über pures Popkornkino hinaus. Erlösung, die Begleichung von Schuld und Versöhnung ziehen sich als Konzepte im Konflikt zwischen Vater und Sohn durch die Handlung. Die Gralsthematik führt dazu, dass der „Letzte Kreuzzug“ ein durchweg abendländischer Film mit christlichen Werten geworden ist, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt.
Indiana Jones stand demnach als Vertreter der „Lost Generation“ noch auf einer Schwelle. Er verachtet nicht die Werte der Vergangenheit; er scheitert nur daran, diese zu verinnerlichen und zu leben. Er will keine Revolution, sondern sucht sich in einer scheinbar entzauberten Welt seinen Weg zu bahnen, wo der Mythos jedoch noch unter der Oberfläche brodelt. Diese Ungewissheit, dieses Schwanken zwischen Materialismus und Idealismus, zwischen Zynismus und Religion, zeigt sich auch in der historischen Realität der 1910er bis 1940er Jahre.
Anders sieht es mit den 1960er Jahren aus, in denen der Film spielt. Diese Generation will den Umsturz. Sie ist – anders als Indy – ideologisch. Und sie macht der vorangegangenen Generation Vorwürfe. Indy als Vertreter der weißen, alten, toxischen Männerwelt passt auch nicht mehr in die Gegenwart. In diesem Sinne entsprechen die 1930er den 1980er Jahren: was damals noch normal war, was damals keinen Affront weckte, was damals noch an Werten herrschte – muss nun auf die Anklagebank. Indy wird dabei nicht nur dekonstruiert; der Verlust seiner physischen und seiner mentalen Stärke dekonstruiert ihn selbst.
Mit Indiana Jones fällt ein Held, und mag es nur ein fiktiver sein. Er verkörperte das männliche Prinzip, zugleich einen leidenschaftlichen, bejahenden Abenteuergeist. Das „Faustische“ des Abendlandes war auch in ihm fassbar. Gegen Ende des Filmes gibt es für Indy einen Ausweg, einen würdigen Abschied. Er trifft in der Vergangenheit auf Archimedes, den er Zeit seines Lebens bewunderte. Das Angebot ist verlockend, seinen Lebensabend im 3. vorchristlichen Jahrhundert auf Sizilien zu verbringen. Es ist ein Archäologentraum: nicht nur darüber schreiben und das rekonstruieren, was man liebt; sondern in der Zeit zu leben, sie zu fassen und zu atmen. Es wäre das Beste aller möglichen Enden gewesen.
Doch der woke, dekonstruierende und lebensfeindliche Zeitgeist schlägt im wahrsten Sinne zu, als seine Begleiterin den gestandenen Archäologen KO schlägt, und ihn zurück in die Gegenwart zurückschleppt. Nicht der Tod am sizilianischen Kap in der Abendsonne an der Seite von Archimedes, unter den verlorenen altgriechischen Gesängen der Antike ist ihm vergönnt, wie es eines Helden würdig wäre. Stattdessen kommt Indy mit seiner Frau wieder zusammen. Die kleinbürgerliche Idylle für den Finder der Bundeslade und dem Nazijäger – schlimmer kann man einen Helden nicht verstümmeln. In „Dial of Destiny“ starb nicht nur Indiana Jones, sondern auch ein Stück Abendland.
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