Sommerpausen sind Verschnaufpausen der Politik. Die deutsche Bundesregierung hat diese besonders nötig. Sie ist de facto in die Sommerpause geflüchtet, weil ihr ein entscheidendes Gesetz auf die Füße gefallen ist.
Die aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen bestehende Ampel-Regierung hatte die „Wärmewende“ durch das deutsche Parlament peitschen wollen. Ein Programm, das den deutschlandweiten Heizungsaustausch von „fossilen“ Öl- und Gasheizungen hin zu Wärmepumpen vorsah. Trotz der italienischen Erfahrungen, die in Europa als abschreckendes Beispiel gelten; aber bekanntlich hat ja die deutsche Bundesregierung auch vor, ein Bürgergeld einzuführen, indes Italien aus genau diesem wieder aussteigt. Die deutsche Hybris zeigt sich nicht zuletzt in ihrer Provinzialität.
Das gewaltige Vorhaben, das Hausbesitzer wie Mieter belastet hätte, wurde auf die peinlichste Weise vertagt. Das kontrovers diskutierte Gesetz, das sogar die demonstrationsfaulen Teutonen auf die Straßen holte, sollte so schnell wie möglich beschlossen werden. An ihm haftete nicht nur der Ruch, schnell zusammengeschustert, ideologisch, handwerklich unausgereift, unsozial und mit unbekannten Fallstricken versehen zu sein; auf dem Papier haftete auch die Tinte von Patrick Graichen, dem ehemaligen Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Graichen war vor seiner Dienstzeit der Direktor des Think Tanks Agora Energiewende, zu dessen Netzwerk gleich mehrere Staatssekretäre der Bundesregierung gehören und der als Speerspitze einer Öko-Lobby gesehen werden kann, die von einem Stiftungsnetzwerk mit Geld gefüttert wird. Mit Graichen hatte die grüne Lobby einen festen Sitz im Ministerium und setzte die seit Jahren vorgedachten Gesetze nun straffer um. Dass Gelder von grünen Ministerien an grüne NGOs gingen, war zwar seit zwei Jahrzehnten der Fall; doch Graichen wurde es am Ende zum Verhängnis, dass er dabei erwischt wurde, wie er einem Öko-Verein mehrere hunderttausend Euro zuschusterte, dessen Vorstand seine Schwester angehörte.
Die Affäre Graichen, die in Wirklichkeit eine Affäre Agora war, und weniger von Verwandtenklüngel, denn dem Einfluss von NGOs und Klimanetzwerken handelte, war eine der bisher gefährlichsten Nagelproben in den fast zwei Jahren der Ampel-Regierung. Zeitweise wackelte auch Habecks eigener Stuhl, weil mindestens zwei weitere Staatssekretäre als angeschlagen gelten. Der Verbleib von Staatssekretär Udo Philipp, dem vorgeworfen wird, Startup-Unternehmen bevorteilt zu haben, in die er selbst investiert hatte, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Minister Habeck dem Ausschuss, der den Vorgang untersuchte, einen Maulkorb anlegte. Kurz gesagt: in Deutschland domestiziert die Exekutive die Legislative, wenn diese ihre Kontrollfunktion ausüben soll.
Habeck hatte wie die gesamte Regierung demnach ein großes Interesse, das Heizungsgesetz durch den Bundestag zu tragen und dann in den Urlaub zu fahren, um den Streit über Personalien, dubiose Verquickungen, Lobbynetzwerke, angeschlagene Staatssekretäre und ein unpopuläres wie undurchschaubares Gesetz möglichst zügig zu beenden.
Um zu veranschaulichen, was die deutsche Bundesregierung vom parlamentarischen Prozess hält, reicht es zu wissen, dass diese an einem Freitag den endgültigen Gesetzesentwurf vorstellte und eine Sachverständigenanhörung für den Montag darauf ansetzte. Das war genau ein Wochenende, während dessen die Experten ein über 100 Seiten langes Papier konsultieren konnten, das einschneidende Veränderungen für das Leben Millionen Deutscher bedeutete, sowie die langfristige Umstellung der Heizungen, verbunden mit Milliardenkosten. Die Eile war geboten, weil man noch am Donnerstag oder Freitag darauf das Gesetz verabschieden wollte. Sieben Tage zwischen Entwurf und Verabschiedung – maximal!
Mögliche Fehler, Mängel, eingebaute Fallstricke oder beabsichtigte Formulierungen zwischen den Zeilen, deren Bedeutung sich erst später herausstellen würden, waren offenbar gewünscht. Denn selbst wenn die Fachleute aufgezeigt hätten, was an dem Gesetz noch fehlte – ihre Verbesserungsvorschläge wären kaum mehr in den Gesetzestext eingeflossen. Der Sachverständigenausschuss war demnach genauso eine Farce wie die später angesetzte Abstimmung im Parlament. Kaum ein Abgeordneter hatte die Zeit, den Gesetzestext in dieser kurzen Zeit zu lesen und zu verstehen.
Diese Rücksichtslosigkeit war dann auch dem deutschen Bundesverfassungsgericht zu viel. Es stoppte nur wenige Tage vor der Sommerpause die angesetzte Abstimmung. Das Parlament hätte das Recht, sich mit der ihm gebührenden Zeit mit einem so wichtigen Gesetzestext zu befassen. Wir sind erleichtert: in Deutschland hängt das Parlament nicht komplett von der Gnade des Bundeskanzleramtes ab, wenn es auch manchmal die Hilfe des Verfassungsgerichts braucht.
Dass es sich um einen Präzedenzfall handelt, wurde dabei weder im Inland noch im Ausland rezipiert. Noch nie hat sich eine Bundesregierung in einer solchen Weise blamiert, dass ihr vom Verfassungsgericht beschieden werden musste, nicht das parlamentarische Prozedere zu beachten. Vor allem nicht so kurz vor der Abstimmung. Die Grünen sahen es als Majestätsbeleidigung an; und Minister Habeck meinte arrogant, dass die Opposition nun mehr Zeit hätte, den Gesetzestext zu lesen. In Wirklichkeit hatte die Bundesregierung nicht weniger als einen Verfassungsbruch gewagt, und versuchte nun, in trotziger Reaktion den Vorgang runterzuspielen.
Das nicht verabschiedete Heizungsgesetz ist damit jedoch eine Belastung geworden. Es wird erst im September wieder auf die Tagesordnung kommen. Nun haben Opposition und Experten genügend Zeit, das Kleingedruckte zu lesen, das in der Eile übersehen worden wäre. Ob die Ampel das Gesetz so einfach durchsetzen kann, wie vor der Sommerpause gedacht, ist deswegen zweifelhaft. Habecks eigensinniges wie autoritäres Gehabe führt auch beim liberalen Koalitionspartner FDP zu Stirnrunzeln.
Insgeheim wissen die Ampel-Parteien, dass sie mit der Verlegung wichtige Zeit verlieren. Denn die mögliche Verabschiedung des teils verhassten Heizungsgesetzes könnte kurz vor den Wahltag in den beiden Bundesländern Hessen und Bayern fallen. Die Abstrafung an den Wahlurnen wird bei diesen Regionen auf den Fuß folgen. Die AfD erreicht in einigen Umfragen mittlerweile 23 Prozent und droht sogar die CDU/CSU zu überholen. Dividiert man die beiden Schwesterparteien auseinander, dann ist die AfD in manchen Prognosen bereits jetzt die stärkste Partei in Deutschland. Und mit jedem Tag, an dem die Ampel regiert und den Wohlstand der Deutschen noch ein Stück weiter abträgt, droht sich dieser Trend zu verfestigen. Die größte Volkswirtschaft Europas gilt mittlerweile als Schlusslicht der wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Kontinent; und die milliardenschweren Öko-Träume werden ihr Übriges tun, damit dies auch so bleibt.
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